Forderungen

WIR CAMPEN BIS IHR HANDELT! FÜR KLIMAGERECHTE MAßNAHMEN IN FREIBURG UND GLOBAL


Internationale Ebene

Verankerung von verpflichtenden CO2-Äquivalent(CO2e)-Budgets auf internationaler Ebene

Das Pariser Klimaabkommen ist in seiner jetzigen Form nicht in der Lage, den weltweiten
Rückgang von CO2-Emissionen zu gewährleisten. Daher braucht es dringend eine Konkretisierung und Verschärfung der Klimaschutzmaßnahmen, die Festlegung von verpflichtenden nationalen CO2e-Budgets und einen wirksamen Sanktionierungsmechanismus. Klimagerechtigkeit gelingt nur, wenn wir uns an dem 1,5°-Ziel orientieren, das mit 67%-Wahrscheinlichkeit erreichbar sein muss. Daraus folgt ein weltweites Budget in Höhe von 400 Gt (Gigatonnen) CO2e ab 2020 (IPCC 2021, S. 29). Dieses Budget soll in Abhängigkeit der Bevölkerungszahl nach dem Gleichheitsprinzip auf die Staaten aufgeteilt werden. Für Deutschland ergibt sich daraus ein Restbudget von 2 Gt CO2e ab 2022 (SRU 2022).

In Zukunft müssen die Staaten zur Einhaltung dieser Budgets verpflichtet werden. Bei Überschreitung soll ein strenger Sanktionsmechanismus i.H.v. 680 Euro pro Tonne CO2e greifen (Klimaschadenskosten UBA 2020). Es soll unbedingt verhindert werden, dass der globale Norden seine Verantwortung der CO2-Einsparung über den internationalen Handel von Emissionszertifikaten auf den globalen Süden abwälzen kann. Die erforderlichen Treibhausgasminderungen müssen auch durch Suffizienz (d.h. weniger Ressourcenverbrauch, siehe Erklärungen) erreicht werden. Zudem sollte die CO2e-Berichterstattung neben den territorialen auch die konsumbasierten Emissionen umfassen (Expert*innenrat für Klimafragen 2022, S. 81).

EU-Ebene (Andreas Schwab)

Neuordnung der EU-Agrarsubventionen anhand von sozial-ökologischen Kriterien

Höfesterben, Monokulturen, Grundwasserverschmutzung, Biodiversitätsverlust, Ausbeutung von Arbeitskräften: Die Herausforderungen in der Landwirtschaft sind enorm und vielfältig. Die bestehenden Regelungen bevorzugen Betriebe mit viel Fläche und begünstigen den Trend zur fortschreitenden Industrialisierung der Landwirtschaft (BUND 2021). In Folge der aktuellen Agrarpolitik verursacht die Landwirtschaft jährlich externe Kosten in Höhe von 90 Mrd. Euro (BCG 2019). Deswegen braucht es dringend eine Neuordnung der EU-Agrarsubventionen. Die Auszahlung der Subventionen mit der
Gießkanne, also in Abhängigkeit der Fläche, sollte komplett abgelöst werden (ZKL 2021, S. 6). Die Beihilfen müssen sich in Zukunft an sozial-ökologischen Kriterien orientieren und darüber hinaus Aspekte der Regionalisierung und des Tierwohls berücksichtigen. Da etwa 50% der Einkommen der Landwirt*innen von EU-Subventionen abhängen, hat die Politik eine große Einflussmöglichkeit auf die monetären Anreize für die Landwirt*innen. Diesen Einfluss sollte sie nutzen, um den Schwerpunkt in der Landwirtschaft verstärkt auf Qualitäts- anstelle von Quantitätskriterien zu legen. (UBA 2017).

Die Bilanzierung dieser gemeinwohlfördernden Leistungen spielt eine wichtige Rolle. Dafür können die Arbeiten von Christian Hiß und der Regionalwert AG herangezogen werden (Regionalwert AG 2019). Im Vergleich zu den externen Kosten sind die Transformationskosten mit 7-11 Mrd. Euro pro Jahr überschaubar. Außerdem bietet die Transformation die Chance, die Spannungsfelder Ernährungssicherheit, Klima- und Umweltschutz und Beschäftigung miteinander zu versöhnen (ZKL 2021, S. 120).

Bundesebene (Chantal Kopf, Claudia Raffelhüschen)

Sofortige Umsetzung der Vorschläge des Bürger*innenrats Klima auf Bundesebene

Bürger*innenräte sind ein wichtiges Instrument, um die sozial-ökologische Transformation zu gestalten. Durch ihren transparenten und partizipativen Prozess können gesellschaftliche Aushandlungsprozesse gestützt auf wissenschaftlichen Erkenntnissen gelingen. Durch seine repräsentative Zusammensetzung haben die Vorschläge des Bürger*innenrats eine hohe Legitimität und Akzeptanz in der Bevölkerung (Forsa 2021). Nach umfassender wissenschaftlicher Beratung und Diskussion wurde von dem Bürger*innenrat Klima 2021 für die Handlungsfelder „Mobilität“, „Gebäude und Wärme“ sowie „Ernährung“ über 80 Vorschläge erarbeitet. Dazu gehören Forderungen wie der weitgehende Verzicht auf tierische Lebensmittel und das Verbot von Kurzstreckenflügen. Diese Beschlüsse zeigen, dass die Bevölkerung in vielen Bereichen deutlich weiter gehen würde, als es die Politik ihnen zumuten will (Bürger*innenrat Klima 2021). Daher sollen die Vorschläge des Bürger*innenrats ernst genommen und zeitnah umgesetzt werden.

Tax the rich! – Wie die sozial-ökologische Transformation finanziert werden soll

Die Einkommens- und Vermögensunterschiede in Deutschland sind eklatant. Nach Schätzungen des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung verfügt das reichste 1 Prozent über 35% des Vermögens (DIW 2020). Gleichzeitig sind die Aufgaben der öffentlichen Hand für den klimagerechten Umbau der Energie- und Verkehrsinfrastruktur, Landwirtschaft, Industrie und Gebäude enorm. Die Kosten für die sozial-ökologische Transformation müssen auch von denjenigen getragen werden, die es sich leisten können. Wir schließen uns daher den Forderungen des Netzwerks Steuergerechtigkeit an, das eine Vielzahl an effektiven Instrumenten vorschlägt (Netzwerk Steuergerechtigkeit 2022). Allen voran muss die Besteuerung von Kapital und Lohn gleichgestellt werden. Dies gelingt über eine synthetische Besteuerung. Hierbei wird das Einkommen aus Lohn und Kapitalerträgen aufsummiert und progressiv besteuert. Darüber hinaus braucht es höhere Spitzensteuersätze. Betrug dieser 1995 noch 57%, so wurde er in mehreren Schritten auf heute 42% herabgesetzt (Wirtschaftsdienst 2018)!

Über Generationen hinweg verfestigt sich die Ungleichheit durch riesige Erbschaften. Aufgrund von zahlreichen Ausnahmeregeln werden große Erbschaften besonders gering besteuert (SZ 2019). Dies muss durch eine Erbschaftssteuerrefom in Zukunft verhindert werden. Des Weiteren muss die Vermögenssteuer wieder erhoben werden, deren gesetzliche Grundlage nie abgeschafft worden ist (Bundestag 2021). Schließlich muss deutlich effektiver gegen Steuerkriminalität vorgegangen werden. Jedes Jahr verliert Deutschland dadurch 40 Mrd Euro (Tax Justice Network 2022, S.26).

Landesebene

Volle Windkraft voraus!

Als Teil der erforderlichen Maßnahmen für eine ausreichende CO2-Senkung im Sinne des 1,5°C-Zieles (vgl. Forderung 1) ist das verstärkte Vorantreiben der Energiewende unabdingbar. Die Bundesregierung hat im Sinne der Transformation zu einer nachhaltigen und treibhausgasneutralen Stromversorgung in dem Wind-an-Land-Gesetz verbindliche Flächenziele für die einzelnen Bundesländer ausgewiesen. Dem Land Baden-Württemberg wird dabei eine Fläche von 1,8 % bis 2032 zugeschrieben. Diese Zielsetzung ist nicht ambitioniert genug. Wir fordern 2 % der Fläche für Windkraft in Baden-Württemberg! Die 2 % Fläche für Windkraft müssen jedoch nicht nur ausgewiesen, sondern auch sofort umgesetzt werden. Die entsprechende Fläche soll durch das Land Baden-Württemberg bis 2024 ausgewiesen sein und die Windkraft bis spätestens 2027 in Betrieb genommen werden. Dafür muss das Land genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. In dem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass bei dem Bau von Windkraftanlagen auf 2 % der Landesfläche nur 0,007 % der gesamten Fläche versiegelt werden (Vortrag Volker Quaschning 06/22). Zum Vergleich: Das Verkehrsnetz versiegelt in Deutschland momentan 5,1 % der Fläche (Statistisches Bundesamt 2020)!

Regionalverband Südlicher Oberrhein

457 Windräder für den Regionalverband Südlicher Oberrhein!

Abgeleitet von den Ergebnissen der Studie „100% Erneuerbare für den Breisgau“ müssen im Regionalverband Südlicher Oberrhein bis 2035 457 neue Windkraftanlagen errichtet werden, um die regionale Energiewende zu meistern. Dabei geht die Studie von Effizienzgewinnen i.H.v. 50% vor allem durch Elektrifizierung und keiner Suffizienzsteigerung aus (Seelmann-Eggebert 2022). Dies entspricht einem jährlichen Zubau von mind. 35 Windkraftanlagen. Im Jahr 2021 wurden auf dem Verbandsgebiet 5 Windkraftanlagen errichtet. Wir reden also von einer Versiebenfachung des Ausbaus! Diese Zahl kann nur durch eine konsequente Suffizienzstrategie reduziert werden. Der Verzicht auf Hyperkonsum und einen ressourcenintensiven Lebensstil sind essentiell, um den regionalen Energiebedarf zu senken. Dazu gehört die Reduzierung des Pro-Kopf-Wohnraums und die Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs.

Kommunal/Stadt (Gemeinderat)

Die Stadt Freiburg muss den sozial-ökologischen Notstand ausrufen!

Die menschliche Zivilisation befindet sich in akuter, hochgradiger Gefahr. Ohne strukturelle Änderungen werden bis 2100 3,3-3,6 Milliarden Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren und ihre Heimat verlassen müssen (IPCC 2022). Schon jetzt leiden Menschen vor allem im globalen Süden unter dem Klimawandel und den daraus folgenden Extremwetterereignissen. Handeln wir nicht jetzt, schließt sich das Zeitfenster immer weiter und wir können die entstandenen sozialen und ökologischen Krisen nicht mehr beheben. Mindestens sechs der neun planetaren Grenzen haben den Bereich überschritten, der für Menschen sicher ist, darunter konkret: Biodiversitätsverlust, Klimawandel, Biogeochemische Stoffkreisläufe (Rockström 2009), Landnutzungsänderung (Steffen 2015), Eintrag von neuartigen Stoffen (Persson 2022) und Grünes Wasser (Wang-Erlandsson 2022). Wenn wir nicht jetzt entschieden handeln, ist der Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation das wahrscheinlichste Szenario (UN 2022, Cernev 2022). Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich gegen den Zusammenbruch der Zivilisation und damit gegen den Tod von mehreren Milliarden Menschen und für ein würdevolles,
ressourcenschonendes Leben für alle Menschen zu entscheiden.

Das zeigt eindeutig, dass ein Ausruf eines sozial-ökologischen Notstandes auf allen Ebenen angebracht ist. Als erster Schritt muss dafür genau dieser Ausruf des Notstandes in Freiburg die direkte Konsequenz sein. Freiburg hat 2019 versäumt, sich den über 40
deutschen Kommunen anzuschließen, die den Klimanotstand ausgerufen haben, darunter Städte wie Konstanz, München und Köln (UBA 02/2020). Seit 2019 haben 74 deutsche Kommunen den Klimanotstand ausgerufen (Stand 06/2022), zuletzt Wuppertal im April 2022 (Westdeutsche Zeitung 04/2022). Ruft die Stadt Freiburg den sozial-ökologischen Notstand aus, zeigt sie, dass sie den akuten Handlungsbedarf und die Verknüpfung der sozialen und ökologischen Krisen erkannt hat und sendet damit ein starkes Signal an die Bevölkerung.

Flächengerechtigkeit durch eine konsequente Reduzierung der öffentlichen
Parkplätze in Freiburg!

Aktuell gibt es in Freiburg 28 000 öffentliche Stellplätze für Pkw. Das heißt im Umkehrschluss, dass viel öffentlicher Raum für Bäume, Spielplätze, Cafés und Fahrradstellplätze fehlt. Wir schließen uns dem Bürger*innenantrag im Rahmen des Klimamobilitätsplan an, der fordert, dass pro Jahr 10% der öffentlichen Stellplätze umgewidmet werden (Freiburg 2022). Dies entspricht einem Rückgang von 2800 Parkplätzen für das Jahr 2022. Verkehrswende und Flächengerechtigkeit gehen hier Hand in Hand!

Solaroffensive für Freiburg – Zubau von 28,5 MWp pro Jahr

Wir schließen uns der Forderung des Klimaentscheids Freiburg an:

Die Stadt muss ein Photovoltaik-Ausbau-Ziel von Aufdachsolarstromanlagen von durchschnittlich 28,5 MWp (Megawatt Peak) pro Jahr für die nächsten 15 Jahre festlegen. Darüber hinaus muss sie bis 2024 ein Kataster aller städtischen Verkehrs- und anderer Freiflächen erstellen, auf und an denen Solarstromanlagen wirtschaftlich errichtet und betrieben werden können. Bis 2026 realisiert sie 1 MWp auf Verkehrs- und anderer Freiflächen, bis 2028 20 MWp. Das Ausbauziel für Freiflächensolarstromanlagen bis 2038 beträgt mindestens 300 MWp, deren Flächen bis 2028 identifiziert und ausgewiesen werden müssen(Klimaentscheid 2022).

Keine Autobahn durch Freiburg!

Das Klimacamp Freiburg schließt sich den Forderungen der Initiative „Statt-Tunnel – keine Autobahn durch Freiburg an!“ an. Eine Autobahn durch Freiburg verhindert eine nachhaltige Verkehrswende in Freiburg. Zudem kostet der Stadttunnel mehrere hundert Millionen Euro (BZ 2016), der Tunnel ist finanziell und ökologisch ein Desaster. Auch für die Anwohner*innen ist eine Autobahn durch Freiburg sehr belastend, da mit der Realisierung des Straßenbauprojekts ein noch höheres Verkehrsaufkommen sehr wahrscheinlich ist. Bereits jetzt zählt Freiburg zu den mit am stärksten wachsenden Verkehrsregionen in Deutschland (Verkehrsministerium 2014). Der bereits stark ansteigende Durchfahrtsverkehr, was sich insbesondere darin zeigt, dass die Durchfahrt von Sattelzügen im Zeitraum von 2009-2019 um über 60% angestiegen ist (IHK 09/2020), wird durch diese bauliche Maßnahme nicht reduziert, sondern laut Prognose attraktiver gemacht (Stadttunnel 2021). Um eine zukunftsfähige Mobilität in Freiburg zu schaffen, darf keine neue Infrastruktur für den motorisierten Individualverkehr gebaut werden!

Erklärungen:

CO2e = CO2 Äquivalente, Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase

Externe Kosten: Kosten, die außerhalb des betrachteten Systems anfallen, häufig ökologische oder soziale Kosten

Suffizienz: Änderung des vorherrschenden Konsummusters zu möglichst geringem Ressourcenverbrauch

Quellen